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MOTIV-TIPPS: Polarlichter

Veröffentlicht am 30.01.2020

Auf der Suche nach den magischen Lichtern

Thomas Kast ist polarlicht-verrückt. Er steht sich lieber bei -30 Grad nachts die Beine in den Bauch und friert sich die Finger ab, bevor er auch nur eines der magischen Lichter verpasst.

Text: Tarja Prüss, Fotos: Thomas Kast

68. Breitengrad, irgendwo in the middle of nowhere in Finnisch Lappland, weit nach Mitternacht. Man sieht seine eigene Hand vor Augen nicht. Das Thermometer zeigt -12 Grad, doch durch den Wind fühlt es sich gut zehn Grad kälter an. Thomas Kast steht an einem zugefrorenen See und das Einzige, was man hört, ist alle paar Sekunden das Klicken seiner Kamera. Kast, geboren in Karlsruhe, lebt seit bald 20 Jahren in Oulu in Nordfinnland. Seine Passion: Polarlichter, in der Fachsprache Aurora Borealis. Dafür hat er seinen Job bei Nokia an den Nagel gehängt. Wenn Lady Aurora am Himmel tanzt, dann gibt es für ihn kein Halten und keine Ausreden. Dann muss er da raus. Egal, wie spät oder wie kalt es ist.


Löcher in der Wolkendecke

Seine Reiseteilnehmer aus aller Welt lieben ihn dafür. Mit Salamapaja veranstaltet er Polarlichtreisen in Kleingruppen für Fotoenthusiasten. „Wenn wir jagen, jagen wir nicht Polarlichter, sondern Löcher in der Wolkendecke,“ erzählt Thomas. Das Wetter ist ein entscheidender Faktor. Um einen klaren Sternenhimmel zu finden, fährt er schon mal zwei, drei Stunden durch die Einsamkeit Lapplands.

14 mm (KB) | f/2,8 | 6 s | ISO 1600

So studiert er laufend die Wetterkarten, aber auch Sonnenwinde, geomagnetische Aktivitäten und Eruptionen auf der Sonnenoberfläche. Denn genau da nehmen die Polarlichter ihren Anfang. „Diese Idee, dass diese Minipartikel von der Sonne Millionen Kilometer unterwegs sind im All, dann in unsere Erdatmosphäre rauschen, auf kleine, andere Teilchen treffen und uns letztlich das Polarlicht schenken, das ist unbegreiflich. Und egal, ob es ein großes oder ein kleines Polarlicht ist, es ist jedes Mal magisch“, gerät Thomas ins Schwärmen. Die Teilchen werden vom Magnetfeld der Erde angezogen, deswegen sind sie auch nur im Umkreis der Pole sichtbar. Dennoch ist die Vorhersage von Polarlichtern weiterhin eine Wissenschaft für sich. Es braucht schon eine Menge Erfahrung, Wissen und eine gute Portion Intuition, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Denn KP-Werte allein (planetarische Kennziffer der geomagnetischen Aktivität) sind keine verlässliche Quelle, viele Vorhersage-Apps zu ungenau.
Ausrüstung für die Polarlicht-Fotografie Um Polarlichter digital einfangen zu können, sollte man seine Kamera gut beherrschen. Oft sind mehrere Belichtungsreihen notwendig. „Ich beginne meist mit offener Blende f/2.8, ISO 2.000 und 10 Sekunden. Dann arbeite ich mich an die optimale Belichtung ran.“ Da Licht-, Mond- und Wolkensituation variieren, müssen die Einstellungen immer wieder neu angepasst werden. Die Kamera sollte manuell bedienbar sein und längere Belichtungszeiten zulassen. Ideal sind ein Weitwinkelobjektiv, ein robustes Stativ und eine Stirnlampe, um sich in der lappländischen Nacht zurechtzufinden. Zudem sollte man Ersatzakkus dabeihaben, denn die Kälte senkt die Laufzeit von Batterien enorm. Und last but not least: passende Kleidung. Selbst im Herbst ist mehrlagige Kleidung und guter Schutz für Kopf, Hals und Hände empfehlenswert. „Wenn es da oben tanzt, friere ich nicht. Oder nicht mehr. Dann habe ich keine Zeit zu überlegen, ob es kalt ist“, sagt Thomas.

14 mm (KB) | f/2,8 | 8 s | ISO 6.400
14 mm (KB) | f/2,8 | 4 s | ISO 2.000

Dunkle Flecken und keine Hektik

Wegen der geringen Lichtverschmutzung ist Lapp- land geradezu ideal für Nachtfotografie. Die Einwohnerdichte beträgt nur noch zwei Einwohner pro Quadratkilometer. Da trifft man eher ein Rentier als ein Auto. „Im Herbst fotografiere ich gerne am Wasser, weil sich die Polarlichter dann spiegeln. Im Winter suche ich lieber höher gelegene Plätze auf, mit dick verschneiten Bäumen und einem weiten Blick auf die schlafende Landschaft.“ Intuition und Stimmung spielen auch hier eine wichtige Rolle. Die Reisenden, die Thomas zu seinen Plätzen führt, schätzen vor allem seine Professionalität, sein enormes Wissen über die Polarlichter und seine mittlerweile finnische Gelassenheit. „Wir haben nie Eile, außer der Himmel ist grün oder rosa, dann ist Hektik angesagt,“ sagt Thomas lachend.

Die Magie der Polarlichter

Und so stehen wir in der nächtlichen Finsternis, vergessen die Kälte angesichts des unfassbaren Spektakels und staunen. Staunen über die Bänder, die sich über den Himmel ziehen, auseinander driften, aufflackern oder sich aufbäumen. Betörend schön, wie sich die grünen Himmelslichter immer wieder neu zusammensetzen und neue Forma- tionen bilden.

14 mm (KB) | f/2,8 | 4 s | ISO 1.600
16 mm (KB) | f/2,8 | 0,8 s | ISO 6.400

Kein Wunder, dass sich zahlreiche Mythen darum ranken. Nach altem Glauben seien es die Ahnen, die Kontakt aufnehmen möchten. Oder der Polarfuchs, der über die Fjells rennt und dabei mit seinem Schwanz Schnee aufwirbelt, weswegen Polarlichter in Finnland bis heute revontuli (Fuchsfeuer) heißen. „Als ob die Polarlichter durch die Mythen so etwas wie eine Seele eingepflanzt bekommen. Vor allem die Vorstellung, dass die Ahnen da die Finger im Spiel haben könnten, hat etwas Faszinierendes.“ Der Magie der Polarlichter kann man sich nicht entziehen. Bis heute lassen sie sich nicht genau vorhersagen. Es gibt keine Garantie. Und keinen Gewöhnungseffekt. „Polarlichter sind jedes Mal anders. Und jedes Mal schön. Das Adrenalin und die Glücksgefühle – einfach unbeschreiblich.“

Die Autorin: Tarja Prüss ist Journalistin, Autorin und Fotografin mit finnischen Wurzeln. Über ihre Erlebnisse in Finnland schreibt sie auf Tarjas Blog. Instagram: @tarjasblog.de
Der Fotograf: Thomas Kast ist Fotograf und veranstaltet mit Salamapaja Foto-/Abenteuerreisen in Kleingruppen in Finnisch Lappland. Instagram: @thomaskast1